Günther Selichar
"Es handelt sich um Fotogramme von 1-Gramm-Gewichten, die vertikal von oben belichtet wurden, was zu einer kreisrunden, gleichmäßig weißen Abbildung führt." (Günther Selichar) Die kleinen zylindrischen Messinggewichte, die auf dem Fotopapier gestanden und es gegen das Licht abgedeckt haben und ihre Grundflächen in Form von kleinen weißen Punkten hinterlassen haben, sind also die materielle und formale Grundlage, und wirken sich im buchstäblichen Sinne des Wortes maßgebend auf das Bild aus: Ein Fotogramm, auf dem vier Grammstücke zu sehen sind, ist 4 Gramm schwer, und 844 Fotogramm sind also insgesamt 844 Gramm Foto, lose in ihren Rahmen platziert, um auch noch in der Phase der Präsentation auf ihr Gewicht hinzuweisen…Was über das planmäßige Vorgehen hinausführt, ist die Anordnung der Gewichte. Jemand musste darüber entscheiden, wie sie stehen. Das heißt, es gibt eine Art "Handschrift", weil es eine menschliche Art gibt, Dinge hinzustellen, ohne sie stellen zu wollen, noch vor jeder Absicht, angeregt vom Werfen (hier kommt noch der Zufall ins Spiel). So sind die Punkte nicht symmetrisch, nicht regelmäßig, in keiner besonderen Beziehung zum Blatt – sie stehen da, wie man eben Dinge hinstellt, bevor man beginnt, sie zu arrangieren. Günther und Loredana Selichar haben eine kleine, klare Form inszeniert, die "knappste Fassung eines Sinnes", einer Beziehung zwischen Zeigen und Gezeigtem. Wenn wir begriffen haben, was uns anfänglich in Erwartung versetzt hat und sich der grammatikalische Widerspruch in der Pointe aufgelöst hat, dann rückt wiederum die Form in den Vordergrund. Die Gramme werden wieder zu Punkten, zu Fotogrammen, zu Kompositionen aus runden und eckigen Formen, aus Dichtheit und Leere, Schwarz und Weiß. Man kommt in der dritten Lesephase also wieder zurück zu dem, was es am Anfang war, bevor man die Kopräsenz der unterschiedlichen Begriffe erfasst hatte: weiße Punkte auf schwarzen Flächen. Als solche sind sie wieder autonome Bilder, die ein weiteres, kunstspezifisches Assoziationsfeld eröffnen, nämlich das der Moderne und ihres medienreflexiven Diskurses, weil sie die Entstehung des Bildes aus dem Medium, und damit seine Rückgebundenheit an dieses Medium thematisieren. Die anfänglich irritierende Grammatik des Titels ist letztlich also auch tatsächlich im Sinne von Grammatik zu verstehen, denn die Fotogramme sind eine Inszenierung des Regelwerks der Fotografie: Eine Inszenierung der lichtempfindlichen Schicht, die hier in ihren Extremen gar kein Licht (weiß) und alles Licht (schwarz) vorgeführt wird. (Ruth Horak)
Günther Selichar,
1960 Linz, Universität Salzburg, art Institute Chicago
Loredana Selichar, 1962 Rom
gemeinsame Ausstellungen: 2009 Galerie Fotohof Salzburg, "landscape, contemporary" Haus der Fotografie Dr. Robert Gerlich Museum Burghausen, "out of the shadows" the nightingale Chicago, 2008 "844 Fotogramm" Galerie Lindner Wien, 2007 "terra cognita ii" Fotoforum Braunau, "21 positions" österreichisches kulturforum New York, 2004 OÖ. Landesgalerie Linz, 2001 Kunsthalle Wien project space