Nikolaus Schletterer
Nikolaus Schletterers künstlerische Arbeit mit Fotografie kann im Sinne einer investigativen und konzeptuellen Praxis verstanden werden. Dabei geht es um das Verstehen dessen, wie und was wir erfahren, wenn wir sehen.
Die schrittweise Annäherung an das Wesen der Wahrnehmung verlief bei Schletterer über das Interesse an landschaftlichen, geologischen und architektonischen Strukturen. Dabei artikulierte sich in vielen seiner Foto-Serien ein ausgeprägter Blick für die Übergänge, Verläufe und Brüche an Stellen, wo Natur und Menschenspuren aufeinander treffen. Parallel dazu ging und geht es immer wieder um Licht – um den elementaren Energiestoff, aus dem das Sehen und folglich auch die Fotografie geformt werden. Die Entmaterialisierung der Bilder durch die Digitalisierung der Aufnahme-, und Verarbeitungsverfahren spielt vor allem in jüngster Zeit eine zentrale Rolle, in der Schletterer sich stark für die Struktur, die diesen Bildern innewohnt, interessiert und Arbeiten über die "Wahrheit" der Bilder, ihrer Konstruktion und der Konstitution unserer kognitiven Wahrnehmung entwickelt.
In Suspended werden vorgefundene Bilder aus dem Internet, die unsere visuelle Vorstellung der Welt repräsentieren, bearbeitet, auf ihre Reduzierbarkeit auf das Wesentlichste untersucht. Ausgehend von der Annahme, dass kein Dasein ohne Wahrnehmung möglich ist und dass unsere Wahrnehmung sowie unsere Erkenntnis der Welt nur über Meta-Data erfassbar sind, unterzieht der Künstler diese vorgefundenen Bilder einer "Destillation", einer Filterung rein atmosphärischer Information durch radikale Reduktionsvorgänge.
Einzeln betrachtet zeigen diese Bilder ihre eigene Kondition, in der systematisierten Abfolge ein Archiv unserer Imagination der Wirklichkeit: Sie sind digitale Kondensationen auf 3 x 3 Pixeln Farbinformation, die an das Original erinnern, aber keine Rückschlüsse mehr auf dessen ursprüngliche Gestalt erlauben. Sie sind das Resultat von Messungen und angewandter Transformationsalgorhytmen, die in der binären Datenspeicherung Verwendung finden. (Text: Andrei Siclodi)
Nikolaus Schletterer
*1960 in Kufstein. Universität Salzburg Mozarteum, bei P. Prandstetter, H. Steiskal. Seine Projekte umfassen u.a. 2008 BEFORE ARCHITECTURE - Fotoessay zur Architektur J. Lackner's, 11.te Architektur Biennale (Venedig); 2009 SUSPENDED, Gal. Widaue (Innsbruck); 2010 SUSPENDED - Manifesta 8 (Cartagena/Spanien); 2012 ZWISCHENRÄUME SPAZI INTERMEDI - Focus (Innsbruck) 2013 - MOSTYN OPEN 18, Mostyn Llandudno (Wales); GROUND CONTROL ON HAUNTED GROUNDS - RLB Kunstbrücke (Innsbruck). Seine Publikation POST PHOTOGRAPHY, in vector>critical research in context ist 2015 erschienen