Leo Schatzl
In der Printserie Time Scratched sind willkürliche Zeitspuren eingezeichnet. Die im Speichermedium "Fotonegativ" aufgezeichneten Spuren physikalisch-mechanischer Abnutzung (Schrammen und die Bleiche der fotochemischen Schicht) sind teilweise vollkommen informell, zum Teil sind flüchtige Umrisse als lesbare Bildinformationen schemenhaft erkennbar. Das Experimentieren mit fotografischer Sichtbarmachung und Speicherung zeitlicher Phänomene verweist auf die Anfänge wissenschaftlicher Kinematographie, Etienne-Jules Marey und die Geschichte der bildmedialen Repräsentation des Unsichtbaren. Entscheidend für den naturwissenschaftlichen Nutzen der Momentfotografie ist die Darstellung eines graduell unterscheidbaren Bewegungsablaufes. (…) Das Einfangen der Bewegung im Zeit-Bild medialer Apparaturen repräsentiert jedoch eine Vergangenheit, die niemals gegenwärtig war.
Die Printserie Time Scratched geht über beide Prämissen hinaus und machen etwas geltend, das sich der Lesbarkeit des Bildes radikal entzieht. Mit ihnen wird auf das Herzstück des naturwissenschaftlichen Blicks, das ist die Darstellung von aneinandergereihten Zeitmomenten, die eine Geschichte ergeben, verzichtet. Insofern wird auch in dieser Arbeit der Topos des entleerten Territoriums wieder aufgenommen und modifiziert, insofern die Prints von Inhalt/Bedeutung/Narration entleert sind und als unvermitteltes Ereignis keine Handlung darstellen und keiner Intention folgen. Die zufällige Aufzeichnung der Spuren des physikalisch-mechanischen Verbrauchs im Fotonegativ transformiert das objektiv-registrierende Speichermedium in ein akzidentielles Ereignis. Es wird eine neue Qualität in sinnlich-konkreter Gestalt generiert – anonym und ohne Notwendigkeit. Ergebnis von zahllosen und unabsehbaren Wirkungen. Der sogenannte fotografische "Abfall" – das visuelle Rauschen – rückt in das Bildzentrum, füllt es aus und erzeugt eine neue körperliche Oberflächenwirkung. (Ramón Reichert in Medium, Spur Ereignis)
Leo Schatzl,
* 1958 Obernberg am Inn, Kunsthochschule Linz, 2009 Ananglyph Wall, Kunst am bau Linz, 2008 "Continent 6 " Raumobjekte für performance, Wien Lising, 2007 Grosses Zwiebelchen, Kunst im öffentlichen Raum Unterstinkenbrunn, 2006 "Riding a white Ghost Horse" La Casa Encendida Madrid, 2005 "Vanishing Points" OK Centrum Linz, lebt und arbeitet in Wien.